München KlinikSelbst das Leitungswasser wird hier von Keimen befreit

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Lang ersehnt: Eine 67-jährige Patientin bekommt ihre Stammzellenspende. Ihre Hoffnung ist groß, gesund zu werden.
Lang ersehnt: Eine 67-jährige Patientin bekommt ihre Stammzellenspende. Ihre Hoffnung ist groß, gesund zu werden. (Foto: München Klinik)

Auf der neuen Transplantationsstation der München Klinik erhalten Patienten Stammzelltransplantationen. Wegen ihres schwachen Immunsystems werden sie mit ausgeklügelten Methoden geschützt.

Von Nicole Graner

Saftig grüne Wiesen, viele Bäume und ein weiter Blick auf das Karwendelgebirge: Dieses schöne Bild, das als riesiges Foto eine in die Jahre gekommene Fassade verschönern soll, gibt es noch nicht. Auch fehlen bislang bunte Bilder mit München-Impressionen an den Wänden der hellen Station für Knochenmarktransplantation (KMT). Erst vor Kurzem ist sie von der München Klinik Schwabing in den neuen Erweiterungsbau der Klinik Bogenhausen umgezogen.

Acht Transplantations-Betten gibt es jetzt – drei mehr als vorher. Die Luft wird gefiltert, damit sie keimfrei ist und den Patienten mit einer schweren Erkrankung des Blutes oder des Immunsystems wie einer Leukämie nicht schaden kann. Direkt neben der KMT ist die Intensivstation. „Ein Traum“, sagt Tobias Herold, Chefarzt der Klinik für Hämatologie und Onkologie an der München Klinik Bogenhausen. Insgesamt gebe es damit in München nach langer Zeit endlich wieder 24 Transplantations-Betten.

Zwei Jahre hat sich Herold mit seinem Team auf den Umzug vorbereitet. Zuletzt wurde eingerichtet, Schränke und Materialien wurden beschriftet. „Bis zum Schluss einfach 1000 Kleinigkeiten“, sagt Stationsleiterin Yvonne Jegodtka.

Die teilverglasten Zimmertüren, in denen schmale Rollläden eingebaut sind, sind schallisoliert. Die Patienten benötigen Ruhe. Im Nachtkästchen ist ein kleiner Kühlschrank untergebracht, damit sie gleich etwas Kühles wie Joghurt essen können, wenn sie Hunger haben. Das Wasser, das im Bad aus der Leitung kommt, ist gefiltert. Bloß keine Keime!

Die Fensterbänke in den Zimmern sind Sitzbänke. Auf ihnen lässt sich gut ein Buch lesen oder einfach nur in den Himmel schauen – eines Tages dann auch auf das überdimensionale Fassadenfoto vom Karwendelgebirge. Zeit heißt für viele Patienten auf dieser Station hauptsächlich eines: warten. Warten auf die Transplantation, warten auf die ersten Ergebnisse danach, auf eine Infusion nach der anderen, warten, dass das Immunsystem wieder hochfährt.

„Drei bis vier Wochen dauert die Phase der strengen Isolation“, sagt Herold. In dieser Zeit sei das Immunsystem nicht funktionsfähig, und der Schutz vor Infektion ist besonders wichtig. Wenn alles gut geht und das neue Immunsystem nach einer Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation den eigenen Körper nicht bekämpft, dauert der stationäre Aufenthalt, so Herold, fünf bis sechs Wochen. Vier Transplantationen im Monat sollen jetzt auf der neuen Station möglich sein. Meistens werden es Stammzelltransplantationen sein.

Immer mehr Menschen in Deutschland spenden Stammzellen

In einem dieser schönen Zimmer auf Station U5 liegt eine 67-jährige Patientin. Am 25. Februar hat sie die Diagnose Akute Myeloische Leukämie (AML) bekommen. „Das war kein guter Tag“, erinnert sie sich. Sofort sei sie für fünfeinhalb Wochen ins Krankenhaus gekommen, von einem Tag auf den anderen aus dem „Leben geworfen“, sagt sie.

Nach Wochen mit ständigem Fieber, in denen es ihr nicht gut ging, sie kaum etwas schmecken und riechen konnte, hat sie nun nach drei Monaten zwischen Hoffen und Bangen einen Spender gefunden. Jetzt wartet sie auf ihre Stammzelltransplantation. Sie ist die erste Patientin, die diese Therapie in den neuen Räumen bekommt.

Mehr Betten und hochmodern: Stationsleiterin Yvonne Jegodtka und Chefarzt Tobias Herold freuen sich, dass sie auf der neuen Station die Patienten noch besser versorgen können.
Mehr Betten und hochmodern: Stationsleiterin Yvonne Jegodtka und Chefarzt Tobias Herold freuen sich, dass sie auf der neuen Station die Patienten noch besser versorgen können. (Foto: München Klinik)

Die 67-Jährige wartet. Mal wieder. Auf einen Beutel voller Leben. Voller gesunder Stammzellen. In sieben bis acht Stunden habe die Apherese-Maschine Stammzellen aus dem Blut des Spenders herausgefiltert, erklärt Herold. An die 0,5 Liter gelangten dann als Infusion über die Vene in den Blutkreislauf der Patientin.

Bei einer Knochenmarktransplantation dagegen kommen die nötigen Stammzellen aus dem Knochenmark des Spenders. Dieser wird laut Chefarzt Herold unter Vollnarkose an vielen Punkten am Beckenkamm punktiert. Die Flüssigkeit wird dann mehrmals gefiltert. 1,3 Liter landen in dem Beutel, der für Patienten einen zweiten Geburtstag bedeuten kann. Im Jahr 2024 spendeten laut dem Zentralen Knochenmarkspende-Register Deutschland 8349 Menschen aus Deutschland Stammzellen. Mehr als jemals zuvor.

Infusionen bekommt die 67-Jährige viele. Jetzt und auch während ihrer Zeit nach der Transplantation. Früher mussten Ärzte und onkologische Pflegefachkräfte jedes Mal in das Zimmer. Auch nachts. Oft wurden die Patienten geweckt. Obwohl sie ja, wie Herold sagt, dringend ihren Schlaf benötigten. Heute geht das anders. Neben den Zimmern ist ein kleines Infusionszimmer. Hier blinkt es. Die ganze Infusionstechnik ist dort untergebracht. Über ein winziges Fensterchen, das fast aussieht wie eine Katzenklappe, führen die Leitungen direkt zum Katheter der Patienten. „Die meisten Patienten bekommen nun gar nicht mehr mit, dass sie eine neue Infusion bekommen“, freut sich Herold.

Wie eine Katzenklappe: Durch das linke, kleine Fenster werden die Infusionsleitungen von einem separaten Zimmer aus direkt zum Patienten geleitet.  Damit wird dieser nicht mehr gestört.
Wie eine Katzenklappe: Durch das linke, kleine Fenster werden die Infusionsleitungen von einem separaten Zimmer aus direkt zum Patienten geleitet.  Damit wird dieser nicht mehr gestört. (Foto: München Klinik)

Viel hat sich in der Stammzellentherapie geändert. Früher war laut Herold bei Knochenmark- oder Stammzellspenden eine nahezu 100-prozentige genetische Übereinstimmung der Immunmerkmale eines Spenders und des Empfängers eine zwingende Voraussetzung. In den vergangenen Jahren habe die haploidentische Transplantation immer mehr zugenommen, also eine halbidentische Spende eines Verwandten mit einer Übereinstimmung von 50 Prozent. So bekämen viele Patienten inzwischen nach der Stammzellentransplantation gleich noch eine Chemotherapie. „Um eine Abstoßungsreaktion zu vermeiden“, erklärt der Chefarzt. Diese töte dann nur die T-Zellen ab, die eine Abstoßung forcierten. Die guten T-Zellen, die die Immunabwehr förderten, blieben bei diesem Vorgang übrig, die Zellen, die man gerade transplantiert habe, blieben aber heil, sagt Herold und nennt diese Möglichkeit eine „medizinische Revolution“, die „deutlich bessere Ergebnisse“ erziele. In der Vergangenheit hätte man bei halbidentischen Stammzellspenden alle T-Zellen herausgenommen.

Am Nachmittag hat die 67-jährige Patientin ihre ersehnte Stammzellentransplantation erhalten. Ihr größter Wunsch: „Hoffentlich will das Transplantat auch zu mir“, sagt sie. Und dann lacht sie tapfer. So vieles liege jetzt noch vor ihr. Was ihr für die lange Zeit auf der neuen Station aber am meisten Kraft gibt, ist der Gedanke an ihre Familie, an ihre großen Kinder, die vielleicht einmal Enkelkinder haben werden. „Das ist eine schöne Vorstellung, und deswegen schaue ich nach vorn.“

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