Deutschland ist ein Land der Michaels, dafür muss man gar nicht die Statistik bemühen, wobei, die hilft natürlich auch. Von 1955 bis 1985 war der Name verlässlich in den Top Ten der beliebtesten Vornamen. Wirklich, das wundert einen überhaupt nicht, fallen einem doch augenblicklich halbwegs berühmte Michaels ein, die ungefähr in dieser Zeit das Licht der Welt erblickt haben.
Da wäre der Mittelfeld-Gott Michael Ballack, der lustige Michael „Bully“ Herbig, der singende Michael Beck, der manchmal auch lustige Michael Mittermeier, der im Boris-Becker-Schatten vollierende Michael Stich, der sich Corona-Leugnern entgegenstellende Michael Kretschmer, der föhnwellige George Michael, ach nein, der war ja Engländer und Michael nur ein Nachname und hieß eigentlich Georgios Kyriakos Panayiotou. Wie auch immer: Michaels sind hierzulande sehr gegenwärtig.
Wie gegenwärtig, ist nicht komplett statistisch erfasst. Man weiß beispielsweise nicht, wie viele Michaels in Deutschland einen Hundefriseursalon betreiben, Minigolf spielen oder Punkte in Flensburg haben. Was man aber seit Kurzem weiß: Wie viele von ihnen Bürgergeld beziehen. Es sind 19 200, Michael ist der unter den Beziehern am häufigsten vorkommende Vorname. Auf den Plätzen zwei bis vier folgen 16 200 Andreasse, 15 700 Thomasse und 14 800 Daniels. Namen, die einen Migrationshintergrund vermuten lassen, stehen auf der Liste weiter hinten: Ahmad, Ali und Mohammed. Eine wirklich interessante Datenlage, die eine Frage geradezu zwingend hervorruft: Was ist mit den deutschen Männern los?
Das wirklich lustige an dieser Liste ist, dass es sie nicht gäbe, gäbe es die AfD nicht. Die Partei, deren Markenzeichen eine verzerrende Darstellung der Wirklichkeit ist („Messermädchen“), wollte schwarz auf weiß den Beweis erbringen, dass Menschen mit Migrationshintergrund über Gebühr dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche liegen. Also stellte die Fraktion (darunter nach einer schnellen Zählung drei Michaels, zwei Andreasse und zwei Thomasse) eine Anfrage im Bundestag, die inzwischen beantwortet wurde: „Was sind die 14 häufigsten Vornamen von Leistungsempfängern des Bürgergeldes gemäß § 19 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch?“
Jetzt könnte man natürlich vorbringen, dass auch diese Kolumne verzerrend ist. Schließlich gibt es überaus erfolgreiche Michaels (siehe oben), Andreasse und Thomasse. Thomas beispielsweise ist seit vielen Jahren ein so häufiger Vorname in den Vorständen der Dax-Unternehmen, dass schon vom „Thomas-Kreislauf“ gesprochen wird – dem Phänomen, dass Chefs lieber ihresgleichen fördern und eben nicht Ahmads, Alis und Mohammeds.
Ja, so eine Vornamen-Soziologie, sie ließe sich unendlich weiterführen. Denn Michael, Andreas und Thomas sind ja nicht nur die Top drei der Bürgergeldbezieher-Vornamen, sondern waren es auch bei den Bundestagswahlkampfkandidaten-Vornamen im vergangenen Februar. Was bitte hat es damit auf sich? Die AfD sollte schleunigst eine Anfrage stellen.
